Warum es Freunde braucht und Kinder auch mal streiten sollten
Für Kinder sind Freunde, mit denen man spielt, lacht, aber auch manchmal streitet, wichtige Begleiter, welche für die soziale Entwicklung sehr bedeutend sind. Vor allem im Vorschulalter sind Freundschaften ein großes Thema, denn die Kinder lernen Vertrauen aufzubauen, sich aufeinander zu verlassen, aber auch hin und wieder mit Enttäuschungen umzugehen.
Es gibt jedoch Kinder, denen es aufgrund unterschiedlicher Ursachen nicht so leicht gelingt, Freundschaften aufzubauen. Einige begeben sich durch ihr Verhalten anderen Kindern gegenüber in eine Außenseiterrolle und werden von den anderen Kindern gemieden. Häufig kommt es zum Streit und das Klima in der Gruppe leidet. Auch in unserem Kindergarten gehört das zum Alltag. Deshalb haben wir in Form einer Gruppenarbeit mit sechsjährigen Kindern, die damit regelmäßig konfrontiert werden, dieses Thema aufgegriffen.
Da ich vor meiner neuen Aufgabe als Programmfachkraft im Projekt KINDER STÄRKEN 2.0 sehr oft in dieser Gruppe gearbeitet habe, war mir die Problematik bekannt. In Einzelfällen kam es zu Handgreiflichkeiten und Zerstörungswut. Der Gruppenalltag war dadurch stark beeinflusst. Auch im Rahmen des Kinderrates haben Kinder dieser Gruppe über dieses Verhalten und die Streitigkeiten berichtet und den Wunsch geäußert, daran etwas zu verändern.
Zunächst haben wir in Gesprächsrunden über Freundschaft gesprochen: Was ist uns wichtig, wer ist mein Freund und warum? Die Kinder sollten zunächst ihrem Gegenüber nur positive Eigenschaften sagen. Ebenfalls ging es darum, ganz allgemein, ohne jemanden zu benennen, zu sagen, was ihnen nicht so gut gefällt. Sie sollten den anderen mitteilen, wie sie sich fühlen, wenn sie angeschrien oder verletzt werden. Erkennbar wurde, dass Konflikte Bestandteil des sozialen Miteinanders sind. Streit kann aber auch traurig oder wütend machen und es ist wichtig, Streitregeln aufzustellen und diese einzuhalten.
Wir haben Bilder gemalt, auf denen sie mit ihren Freunden spielen, und gemeinsam Streitregeln und Friedensregeln erarbeitet. Dabei wurde deutlich, was den Kindern im Umgang miteinander besonders wichtig ist: Nichts von anderen zerstören, niemand soll andere anschreien oder verletzen, schlagen oder kneifen, keiner mag Lärm und eigentlich ist der Wunsch aller Kinder, miteinander zu spielen und lernen zu können.
Auf roten und grünen Plakaten haben die Kinder selbstständig Streit- und Friedensregeln zugeordnet und anschließend jede einzelne Regel noch einmal besprochen. Auch ein Bild, was den Kindern bewusstmachen soll, dass man seinem gegenüber mit einem Handzeichen und einem klaren und deutlichen „STOPP“ signalisieren kann, dass man etwas nicht möchte, hat auf unseren Plakaten einen Platz gefunden. Besonders interessant bei diesem Angebot war, wie selbstständig die Kinder die Aufgaben erledigten und wie gut sie dabei alle miteinander kommunizierten, so dass ich mich teilweise im Hintergrund, als Beobachterin bewegen konnte.
In kleinen Rollenspielen haben wir verschiedene Situationen nachgestellt, bei denen die Kinder üben konnten, mit Hilfe der hochgehobenen Hand und einem lauten und deutlichen STOPP, ihrem Partner zu signalisieren, dass sie etwas nicht möchten. Die Kinder nahmen das Rollenspiel sehr ernst und ich konnte in der darauffolgenden Zeit mehrmals beobachten, dass sie diese Übung im Tagesablauf, im Spiel oder während Angeboten einsetzten.
Die Plakate mit unseren Streit- und Friedensregeln bekamen im Gruppenraum einen Platz, sodass sie für die Kinder immer sichtbar und präsent sind. Schon mehrmals habe ich Situationen beobachten können, in denen die Kinder sich auf die Regeln hingewiesen haben und damit ein größerer Streit verhindert werden konnte.
Sicher wird es im Alltag einer Kindergruppe immer wieder zu Uneinigkeiten kommen, weil es Kinder sind – Kinder, die oft aus einem schnellen Impuls heraus handeln, ohne erst lange über die Folgen nachzudenken, was auch völlig legitim ist. Dennoch ist es mir sehr wichtig, gerade diese Altersgruppe, welche bald einen neuen Lebensabschnitt beginnt, nämlich den Weg in die Schule, dafür zu sensibilisieren, dass es immer vorkommen wird, dass Menschen unterschiedlicher Meinung sind. Wichtig ist, diese mit Worten und nicht mit Wut oder körperlicher oder seelischer Gewalt zu klären. Die Kinder lernen, dass Streit und Konflikte dazugehören und es wichtig ist, nach dem Grund dafür zu schauen, Argumente klar und deutlich zu formulieren, aktiv zuzuhören, andere aussprechen zu lassen, nach Lösungen zu suchen und dabei auch Kompromisse einzugehen.
Natürlich ist mir auch wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass jede und jeder anders ist, der eine ist ruhig oder nimmt alles hin, andere wiederum sind eher laut, explosiv und nehmen alles persönlich. Wenn uns das Verhalten auch nicht immer gefällt, so können wir aber versuchen, damit besser umzugehen und Konfrontationen zu vermeiden.
Im Laufe der Zeit werde ich dieses Thema immer wieder aufgreifen, aber im Moment ist durchaus ein Teilerfolg bemerkbar. Das Projekt wurde von den Kindern gut angenommen und unterstützt sie bei der Entwicklung von sozial-emotionalen Kompetenzen und macht sie beziehungsfähig, bspw. indem sie sich mit Gleichaltrigen im Streit ausprobieren, Lösungsvorschläge entwickeln und die eigenen Bedürfnisse sowie die der anderen akzeptieren. Natürlich wird es bei der Arbeit mit Kindern, besonders bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten immer wieder zu Herausforderungen kommen. Dabei können die aufgestellten Regeln sowie meine wertschätzende Begleitung bei Auseinandersetzungen Struktur geben und unterstützend wirken. Konflikte sind prinzipiell nichts, was es zu vermeiden gilt und es stärkt alle Kinder, wenn sie es schaffen, Schwierigkeiten in der Gruppe zu bewältigen.
Sabine Nothhaas / Programmfachkraft in der Kita Taka-Tuka-Land, Frankenberg
– Frühjahr 2024 –
Weitere Informationen zu KINDER STÄRKEN in der Kita Taka-Tuka-Land
https://takatukaland-frankenberg-sachsen.de/esf-plus-programm/
Literaturtipp
Konfliktlösungen in Bilderbüchern für Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter
Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg e. V. | ajs
Siehe Online-Broschüre mit über 30 Kinderbuchempfehlungen
Alle Bilder im Text © Sabine Nothhaas