Veranstaltungsrückblick

Am 01. Februar 2024 fand der 1. Fachtag KINDER STÄRKEN 2.0. Eigentlich ist es nicht der erste, sondern seit den Anfängen im Jahr 2016 und mit Blick auf die Gesamtlaufzeit von KINDER STÄRKEN bereits der siebte. In der neuen Förderperiode 2.0 ist es jedoch der 1. Fachtag für alle Kitasozialarbeitenden.
Zum Fachtag im Februar 2024 sind 260 Teilnehmende ins das Tagungszentrum der DGUV nach Dresden gekommen. Der Fachtag bot mit 15 Workshops viel Raum für Austausch und Diskussion zu individuellen, strukturellen und fachlichen Chancen und Grenzen der Kitasozialarbeit. Das Fachtagsprogramm mit der Beschreibung aller Workshops ist hier einsehbar.

Eröffnungsreflexion zu Kitasozialarbeit zwischen Chancen und Grenzen
In ihrer Eröffnungsrede reflektierte die KBS-Projektleitung Dr. Ute Günther und Andreas Wiere darüber, welche Chancen Kitasozialarbeit im Programm KINDER STÄRKEN 2.0 hat und was mit den Grenzen gemeint sein könnte.
Zunächst meint Kitasozialarbeit ein eingegrenztes und bestimmtes Tätigkeitsfeld, innerhalb dessen Kitasozialarbeiter:innen in Kindertageseinrichtungen Kinder und Familien mit besonderen Lern- und Lebenserschwernissen begleiten und mit sozialpädagogischen Angeboten unterstützen. Die große Chance liegt darin, dass Kitasozialarbeitende losgelöst vom Kita-Alltag (zusätzlich) agieren und mit Methoden Sozialer Arbeit wirksam werden. Damit können sie innerhalb ihres Tätigkeitsfeldes die Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit von Kindern und Familien verbessern – eine der wohl größten Chancen von Kitasozialarbeit!
Jedoch enthält Kitasozialarbeit auch Grenzen. Dabei sollen Grenzen als etwas Konstruktives und Dynamisches verstanden werden, die – im positiven Sinn – Sicherheit, Halt und Orientierung geben. Grenzen für Kitasozialarbeitende sind zum Beispiel da erreicht, wo Leistungen von ihnen erwartet werden, die nicht zu ihren Zuständigkeiten gehören. Ebenfalls sind Grenzen auch dort zu markieren, wo Problemlösungen erwartet werden, die außerhalb des Einflusses Sozialer Arbeit liegen. Kitasozialarbeit kann viele Ursachen mit deren Folgen sie umgehen muss, nicht aus der Welt schaffen. Weitere Grenzen liegen in der Bandbreite der Auswirkungen von Lebenslagen. Viele soziale Probleme sind tief verwurzelt und komplex, was ihre Bearbeitung schwierig macht.
Die Chancen von Kitasozialarbeit hängen mit den Möglichkeiten zusammen, innerhalb derer sie sich entfalten kann. Kitasozialarbeiter:innen sind in ihrer Arbeit abhängig von Anderen, aber auch von sich selbst. Chancen und Grenzen: Das eine gibt es nicht ohne das andere.


Eröffnung des Fachtags von KBS-Projektleitung Dr. Ute Günther und Andreas Wiere © SLfG

Grußworte zum Fachtag
Nach der Eröffnung richtete Bernd Fischer von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) herzliche Grußworte an die Gäste. Die BGW ist Kooperationspartner der Sächsischen Landesvereinigung für Gesundheitsförderung e. V. (SLfG) und unterstützt KINDER STÄRKEN seit mehreren Jahren in der organisatorischen Umsetzung des Fachtages.

Ein weiteres Grußwort hielt Dr. Nicole Wolfram vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus (SMK). Sie betonte die Bedeutung des ESF Plus-Programms in den Kindertageseinrichtungen und sprach sich dafür aus, vor allem auf die Chancen zu schauen. Der Name des Programms ist gleichermaßen das Ziel von diesem: Kinder stärken. „Die Kinder zu stärken, die in benachteiligten Familien und Lebenswelten aufwachsen, ist einer der wichtigsten Hebel für das Erreichen von Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe“, so Dr. Wolfram. Sie verortete KINDER STÄRKEN 2.0 als größtes ESF Plus-Vorhaben im SMK mit Fördermitteln von ca. 86 Millionen Euro. Neben der Förderung durch die Europäische Union stellt der Freistaat Sachsen ein umfangreiches Mittelbudget zur Kofinanzierung bereit. Dadurch konnte in der neuen Förderphase die Anzahl der beteiligten Einrichtungen deutlich erhöht werden. Insgesamt profitieren nun 277 Programmeinrichtungen, erstmals auch Horte, von den zusätzlichen Fachkräften. In diesem Sinne dankte sie diesen: „Sie füllen das Programm mit Leben und Inhalt.“


Grußwort von Dr. Nicole Wolfram (SMK) © SLfG

Spielend Mitmachen
Zum gemeinsamen Einstieg gruppierten sich die Kitasozialarbeiter:innen anhand ihrer regionalen Zugehörigkeiten. Die Gruppen wurden jeweils von einem KBS-Koordinator bzw. einer Koordinatorin in ein Interaktionsspiel eingeführt. In den nächsten zwanzig Minuten lernten sich die Kitasozialarbeitende auf anderem Terrain kennen. Zum Beispiel erforderte es Geschicklichkeit und Abstimmung innerhalb einer Gruppe, um einen längeren Stab gemeinsam und regelkonform auf dem Boden abzulegen. Soziale Kompetenzen, aber auch Humor waren die Schlüssel auch in den anderen Gruppen, z. B. beim Plane wenden, im XXL-Teamband, beim perfekten Quadrat, der Pipeline. Für die Kitasozialarbeitenden waren die Interaktiven Methoden gleichzeitig Impulse für die eigene Arbeit.


Mach mit, mach‘s nach! © SLfG

1 Tag – 15 Workshops – 2 Runden
Nach dem interaktiven Einstieg fanden sich die Teilnehmenden zur ersten Workshoprunde ein. Mobile Trennwände und die Nutzung aller verfügbaren Räume auf den drei Ebenen im Tagungszentrum ermöglichten das vielfältige Workshop-Angebot an diesem Tag.
In den Workshops wurden Themen zur Kitasozialarbeit in verschiedenen Facetten aufgegriffen, z. B. Frühkindliche Medienbildung, Zusammenarbeit mit Familien mit Blick auf Chancen, die sich durch Beziehungsaufbau und -pflege für die weitere Zusammenarbeit ergeben, Partizipative Sprache im pädagogischen Alltag oder die Frage: Wer isst mit? – Ein Blick in die Praxis der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in den Programmeinrichtungen.
Der Workshop Vielfältig besonders! widmete sich verschiedenen sichtbaren und unsichtbaren Diskriminierungskategorien und beleuchtete, wie Kitasozialarbeiter:innen diesen präventiv begegnen können. Vorgestellt wurde der Ansatz der Vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung. Ebenso reflektierten die Teilnehmenden zu Lernmaterialien in den Einrichtungen. „Es geht bei vielfaltssensiblen Materialien und Methoden darum, Vorhandenes zu erweitern“, meinte die Referentin der Aktion Zivilcourage e. V.


Workshop Vielfaltssensible Pädagogik: Vorstellung von Büchern, die Diversität von Identitäten und Lebenswirklichkeiten von Kindern darstellen. © SLfG

Viele Kitasozialarbeitende entschieden sich für den Workshop Traumasensible Kita, in dem traumaspezifisches Fachwissen vermittelt und eine traumasensible Haltung reflektiert wurde. Die Kitasozialarbeitenden erweiterten ihre Kompetenz für die Arbeit mit Kindern aus hochbelasteten Familiensituationen.
Ebenfalls über Chancen und Grenzen, konkret über die Rolle von Kitasozialarbeit im Kinderschutz, diskutieren die Teilnehmenden im Workshop zum familiären Kinderschutz. Dieser informierte u. a. zum Begriff Kindeswohl, zu gewichtigen Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung und zu einem Handlungsleitfaden im Umgang mit Kindeswohlgefährdung. Als herausfordernd beschrieben die Teilnehmenden, die subjektiv anderen Einschätzungen einer Kindeswohlgefährdung von Mitarbeiter:innen des Jugendamtes im Vergleich zu eigenen Einschätzungen oder denen von pädagogischen Fachkräften der Kita.

Interessant vor allem für die Programmfachkräfte, die als Kitasozialarbeitende im Hort tätig sind, war der Workshop Sozialarbeit in Grundschule und Hort. Betrachtet wurden Zielstellungen, Arbeitsprinzipien und Handlungsfelder von Schulsozialarbeit und Kitasozialarbeit im Hort. Die Teilnehmenden diskutierten, inwieweit sich hier Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Abgrenzungen und Synergien ergeben. Im Austausch wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit an Standorten mit Schul- und Kitasozialarbeit in den allermeisten Fällen gut und für beide Seiten zufriedenstellend läuft. Formen, Möglichkeiten sowie Themen der Zusammenarbeit werden vor allem standortbezogen zwischen konkreten Akteuren gestaltet. Für die Akteure der Kita- bzw. Hortsozialarbeit ergab sich insbesondere die Frage der Haltung zu und des Umgangs mit sogenannten „schulischen Themen“.

Große Resonanz hatte auch der Workshop zum Umgang mit Aggressionen von Kindern. Zunächst reflektierten die Teilnehmenden die eigene Haltung zu Gewalt und Aggression, da sie den Umgang damit maßgeblich beeinflusst. Die beiden Referenten von der Werkstatt soziale Kompetenzen und Gewaltprävention Chemnitz kennen die Herausforderungen aus ihrer Praxis. „Gewalt ist ein erlerntes Verhalten. Das heißt, Kinder können es auch wieder ‚überlernen‘ und ein anderes Verhalten erlernen“. In diesem Zusammenhang verwiesen sie auf die Annahme guter Gründe, weshalb sich ein Kind so oder anders bzw. ‚besonders‘ verhält und empfehlen, mit dem Team Handlungsleitlinien für konkrete Konflikt- und Eskalationssituationen zu erarbeiten.

Ein anderes Thema, dem Kitasozialarbeitende begegnen, sind die Folgen von Trennungs- und Scheidungssituationen. Der Workshop hierzu stellte vor allem den kummulativen Aspekt heraus, nämlich dass insbesondere Kinder mit multiplen Lebenserschwernissen besondere Verhaltensauffälligkeiten aufgrund von Trennung und Scheidung der Eltern entwickeln. Der Workshopleiter informierte auch zu Handlungsmöglichkeiten bei gestörter Kommunikation der Eltern im Zusammenhang mit der Trennungssituation. Zum Beispiel können Apps wie Getrennt – Gemeinsam bei der Eltern-Kommunikation unterstützen. Auch das Portal STARK – Streit und Trennung meistern liefert nützliche Informationen.


Im Workshop zum Umgang mit Trennungs- und Scheidungssituationen Handlungssicherheit erhöhen und den Fokus auf Kooperation mit unterstützenden Institutionen richten © SLfG

Ein Format, das großen Anklang fand, war die Peer-to-Peer-Lounge. In dem offenen, vorher thematisch nicht bestimmten Kommunikations- und Austauschraum standen eigene Themen u. a. zur Rolle und Alltagsstruktur der Kitasozialarbeitenden im Mittelpunkt. Es wurden Fragen gestellt, fachlich aktuelle Themen angesprochen und in kleiner moderierter Runde diskutiert.

Thematischer Abschluss
Nach der zweiten Workshoprunde am Nachmittag wurde der Fachtag im lockeren Austausch durch Statements und Blitzlichter aus den Workshops beendet. Dazu wurden Pinnwände beschrieben und die Teilnehmenden resümierten die Workshop-Inhalte in kleinen Gruppen. „Danke für die gut ausgewählten und informativen Workshops“ war oft zu hören. Auch der Austausch mit den anderen Kitasozialarbeitenden wurde als wertvoll hervorgehoben.
Das Team der Koordinierungs- und Beratungsstelle (KBS) sagt „Danke für den gelungenen und inspirierenden Tag und dass Sie die Chance genutzt haben, Kitasozialarbeit (für sich neu) auszuloten!“ Die KBS dankt allen Teilnehmenden, Mitwirkenden und besonders dem Kooperationspartner Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtpflege dafür, dass der Fachtag erfolgreich stattfinden konnte.


Abschlussaustausch © SLfG

Impressionen vom Fachtag

Alle Bilder © SLfG