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Regionaltreffen_Zwickau_08.04.2025_Titel

Einen Vortrag über Widerstand in nur 45 Minuten und aus allen Perspektiven? Da regte sich bei Dr. Holger Müller zunächst… leichter Widerstand. Doch die KBS konnte ihn überzeugen, einen prägnanten Impuls beim Regionaltreffen Westsachen in Chemnitz und Zwickau zu geben.

Am 26. März sowie am 8. April 2025 setzte er für insgesamt rund 65 Programmfachkräfte aus Chemnitz, dem Erzgebirgskreis, dem Landkreis Mittelsachsen, dem Vogtlandkreis und dem Landkreis Zwickau mit seinem Best of Widerstand die thematische Rahmung: Umgang mit Widerstand – Warum tut mein Gegenüber nicht einfach das Richtige (also das, was ich vorschlage)?


Widerstand verstehen und als Chance nutzen
Viele KINDER STÄRKEN 2.0-Fachkräfte kennen das: Sie werden vom Kita-Team um Unterstützung gebeten oder nehmen besondere Bedarfe einzelner Kinder oder Familien wahr, unterbreiten Lösungsideen – doch statt Zustimmung folgt Widerstand: „Das funktioniert hier nicht!“ oder „Das haben wir schon probiert, das klappt auf keinen Fall!“

Widerstand wird oft als hinderlich und störend empfunden, doch laut Dr. Holger Müller ist er weder positiv noch negativ, sondern bedeutend. Er ermutigte die Fachkräfte, ihn nicht nur als Opposition oder Verweigerung aufzufassen, sondern das Potenzial zu nutzen, das in ihm steckt. Widerstand ist oft eine natürliche Reaktion auf Veränderungen.

Er stellte verschiedene Widerstandsformen vor: gering, mittel, groß, aktiv, passiv, laut, still. Für jede dieser Formen formulierte er Kommunikationsstrategien mit Beispielen, um Widerstand zu begegnen, ihn zu moderieren und mit ihm zu arbeiten.

Strategien für den Umgang mit Widerstand
Dr. Müllers Lösungszugänge sind unter anderem:

  • Angebote statt Forderungen
  • Alternativen bieten
  • Emotionalität aus dem Thema nehmen
  • Schrittweise Lösungen statt Überforderung
  • Ich-Botschaften formulieren
  • Gesichtswahrung für den Anderen ermöglichen (Diskussionen nicht öffentlich eskalieren lassen)
  • Aufnehmendes Zuhören & Nachfragen, was den anderen bewegt (vom Sendermodus zum Empfängermodus wechseln)

Dr. Müller betonte, dass es wichtig ist, nicht in einen Monolog zu verfallen. Manchmal versteht man die Position der Gegenseite besser, wenn man in ein Gespräch geht, ohne das Gegenüber gleich ändern zu wollen. Ebenso wichtig ist es jedoch, sich selbst Gehör zu verschaffen und klarzumachen: „Mir ist wichtig, dass Sie sich meine Meinung anhören“.


Und wenn ein Nein kommt?
Dr. Müller riet dazu, bei Ideen, von denen die Fachkräfte überzeugt sind, beharrlich zu bleiben: „Gibt es etwas, dass ich tun kann, um Sie vom Gegenteil zu überzeugen?“ oder „Wann würden Sie sich wohler fühlen?“. Ein Ortswechsel oder dem Gegenüber eine Pause vorzuschlagen, kann ebenfalls helfen, ein Gespräch neu zu führen.

Mit Widerstand umzugehen, bedeutet laut Dr. Müller auch, innezuhalten und die eigene angestrebte Veränderungsrichtung sowie -geschwindigkeit zu reflektieren. Hinter Widerstand kann auch eine wichtige Information stecken, die berücksichtigt werden sollte, was gegebenenfalls eine Anpassung der Idee erfordert. Eine der wichtigsten Erkenntnisse war: Nicht jeder Widerstand ist (auf-)lösbar! Widerstand ist auch ein bedeutender Motor für Veränderung und kann gesellschaftlich Dinge bewegen.

So geht’s praktisch: Vier Übungs-Sessions
Nach dem Vortrag ging es in vier Kleingruppen weiter, moderiert von der KBS. Hier konnten die Fachkräfte die Kommunikationsstrategien praktisch erproben:

(1) Das ABER willkommen heißen
„Ich würde gern, aber …“ oder „Es tut mir echt leid, aber … Nein!“ In dieser Übung stellten sich die Teilnehmenden bewusst dem ABER. Statt es als Hindernis zu sehen, sollten sie es als Chance zur Weiterentwicklung betrachten. Sie wählten ein Beispiel aus ihrer Praxis und spielten mit ihrem Gegenüber mögliche ABER-Situationen durch, um passende Reaktionsstrategien zu entwickeln. Die Methode half ihnen, ihren eigenen Kommunikationstyp besser zu verstehen. Gleichzeitig zeigte sie, wie wichtig es ist, sich vor besonderen Gesprächen bewusst zu machen, wie man zu bestimmten Punkten steht und welche Argumente einem wichtig sind. Diese Reflexion erleichtert es, fokussierter auf Widerstand zu reagieren. Doch ebenso betonten die Teilnehmenden, dass Offenheit entscheidend bleibt. Auch die ABER von Kolleg:innen oder Familien enthalten oft wertvolle Perspektiven und Ideen – ein Ansatz, den eine Kleingruppe in Chemnitz weiter vertiefte, indem sie ihre Erfahrungen mit der Walt-Disney-Methode und der Kopfstand-Methode teilte.


(2) Gewaltfreie Kommunikation: Bedürfnisse erkunden und wechselseitig respektieren
Die Fachkräfte dieser Gruppe erprobten die Gewaltfreie Kommunikation anhand eines eigenen Praxisbeispiels. Eine Person übernahm die Rolle der widerständigen Person und reagierte entsprechend, während die andere versuchte, die vier Gesprächsschritte – Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte – gezielt anzuwenden. Nach der Übung reflektierten die Teilnehmenden: „Es braucht viel Übung und Routine, um auf diese Weise zu kommunizieren.“


(3) Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
In einer gemeinsamen Beobachtungsübung reflektierten die Teilnehmenden zunächst, was sie selbst wahrgenommen haben. Dann stellten sie sich der Frage: Was glauben Sie, wie viel Prozent von dem, was Sie hätten wahrnehmen können, haben Sie wahrgenommen? Dabei wurde deutlich, wie subjektiv der eigene Blickwickel ist – eine vollständige, objektive Wahrnehmung bleibt eine Illusion.

Im nächsten Schritt übertrugen die Fachkräfte diese Erkenntnisse auf den Umgang mit widerständigen Kolleg:innen und Familien. Sie erkannten, dass auch die Wirklichkeit des Gegenübers zählt und es entscheidend ist, diese anzuhören und anzuerkennen. Das bewusste Wahrnehmen unterschiedlicher Perspektiven kann helfen, die Hintergründe von Widerstand besser zu verstehen.


(4) Eisbergmodell – Kommunikation unter der Oberfläche
Mit dem Eisbergmodell beschäftigten sich die Fachkräfte dieser Gruppe, um die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikation besser zu verstehen. Das Modell unterteilt Kommunikation in zwei Ebenen:

  • Die Sachebene (sichtbar, ca. 20 Prozent): Diese Ebene umfasst alles, was direkt wahrnehmbar ist: Zahlen, Daten, Fakten und beobachtbare Signale
  • Die Beziehungsebene (unsichtbar, ca. 80 Prozent): Hier liegen unbewusste Elemente der Kommunikation wie Stimmungen, Gefühle, Wertvorstellungen und Emotionen

Das Modell verdeutlicht, dass der größte Teil der Kommunikation nicht sichtbar ist und oft der Art und Weise, wie etwas gesagt wird, mehr Bedeutung zukommt als dem reinen Inhalt. Es hilft dabei, Widerstand nicht nur als oberflächliches Problem zu betrachten, sondern zu erkennen, dass er häufig tieferliegende Ursachen hat.

In Kleingruppen wendeten die Fachkräfte das Modell an und analysierten typische Widerstandssituationen aus ihrem Arbeitsalltag. Die Übung sollte dazu beitragen, nachhaltigere Lösungen zu entwickeln und die Zusammenarbeit im Kita-Team sowie mit Familien zu verbessern.

Eine Veränderung kommt immer Hand in Hand mit Widerstand
Im Plenum tauschten sich die Fachkräfte zu ihren AHA-Momenten aus den Sessions aus. Eine zentrale Einsicht war, dass Widerstände erwartet und akzeptiert werden sollten, da sie oft helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Eine weitere Erkenntnis war, dass Einigkeit nicht immer bei allen Themen erreicht werden kann, aber es wichtig ist, die eigene Position zu erklären und den respektvollen Umgang zu betonen.

Die vier Sessions zeigten außerdem, dass die Kommunikationskompetenz mit jeder Diskussion wächst. Das Wichtigste bleibt jedoch, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben, denn Veränderungen gelingen nur durch den Dialog mit ihnen – nicht ohne sie.

Titelbild und Bilder im Text © SLfG